Pflichtteilsanspruch und notarielle Untätigkeit beim Nachlassverzeichnis
Wird ein Pflichtteilsberechtigter durch testamentarische Verfügung des Erblassers enterbt und somit auf seinen Pflichtteil gesetzt, so gewährt ihm § 2314 Abs. 1 S. 1 BGB einen Auskunftsanspruch gegen den Erben. Der Erbe hat auf Aufforderung diesen Auskunftsanspruch zu erfüllen und die Erfüllung erfolgt in Vorlage eines Nachlassverzeichnisses. Nach § 2314 Abs. 1 S. 3 kann der Pflichtteilsberechtigte ebenfalls verlangen, dass das Nachlassverzeichnis durch einen Notar aufgenommen wird. Zum Kreis der Pflichtteilsberechtigten gehören beispielsweise die Kinder des Erblassers und der Ehegatte sowie die Eltern des Erblassers. Der Kreis der Pflichtteilsberechtigten ist in § 2303 BGB geregelt.

Vor dem Bundesgerichtshof war die Frage zu klären, ob der Pflichtteilsberechtigte, der gegenüber dem Erben seinen Auskunftsanspruch im Wege eines notariellen Nachlassverzeichnisses gefordert hat, ein eigenes Beschwerderecht gegen den Notar hat, wenn dieser über einen längeren Zeitraum das notarielle Nachlassverzeichnis nicht vorlegt.

In dem vorliegenden Fall hatte der Notar über einen Zeitraum von mehr als drei Jahren das Verzeichnis nicht erstellt, weshalb der Pflichtteilsberechtigte nach § 15 Bundesnotarordnung in Verbindung mit § 59 FamFG die Beschwerde gegen den Notar beim Gericht eingereicht hat. Der Bundesgerichtshof führt in seiner Entscheidung aus, dass der Pflichtteilsberechtigte nicht zum Kreis der Beschwerdeführer nach § 59 FamFG zu zählen ist, weshalb er seine Interessen gegen den Notar nicht im Wege der gerichtlichen Beschwerde durchsetzen kann. Vielmehr hat der Pflichtteilsberechtigte einen Anspruch auf Auskunft gegen den Erben und hat diesen im Zweifel mit Zwangsmaßnahmen durchzusetzen.

Der Bundesgerichtshof hat es ausdrücklich offengelassen, ob der Pflichtteilsberechtigte einen Schadensersatzanspruch gegen den Notar aufgrund einer Amtspflichtverletzung nach § 19 Bundesnotarordnung hat. Diese Fragestellung ist deshalb noch nicht durch den Bundesgerichtshof geklärt worden.
BGH, Az.: IV ZB 31/22, Beschluss vom 19.07.2023, eingestellt am 15.12.2023