Gerichtliche Zuständigkeit für Erbausschlagung nach der Europäischen Erbrechtsverordnung
Erbrechtliche Fragestellungen im grenzüberschreitenden Rechtsverkehr der Europäischen Union unterliegen der Verordnung (EU) Nr. 650/2020 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 04.07.2012 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses.

Liegt also ein Erbfall mit grenzüberschreitendem Bezug vor, beispielsweise befinden sich die Erben in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union und hatte der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union, dann kann es zu einem Auseinanderfallen der gerichtlichen Zuständigkeiten kommen.

Sinn und Zweck der Verordnung ist es jedoch, im innereuropäischen Rechtsverkehr die Hindernisse, die einem freien Personenverkehr bei der Durchsetzung von Fragestellungen hinsichtlich der Rechte im Zusammenhang mit einem grenzüberschreitenden Erbfall entstehen, zu beseitigen, um dem Ziel der Europäischen Union, nämlich des reibungslos funktionierenden Binnenmarkts, zu erleichtern.

In einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs, die durch ein Gericht aus Bulgarien zur Vorabentscheidung vorgelegt wurde, ging es um die Fragestellung, ob die Zuständigkeit nach Art. 13 der Europäischen Erbrechtsverordnung auseinanderfallen kann, und zwar wenn ein Erbe einen anderen gewöhnlichen Aufenthalt im Mitgliedsstaat hat, als das Erbrecht, was sich nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers in einem anderen Mitgliedsstaat richtet.

In der Vorabentscheidung weist der Europäische Gerichtshof darauf hin, dass die Bestimmung des Art. 13 Europäische Erbrechtsverordnung nicht für den Erblasser gilt, sondern für die Erklärung des Erben. Aus diesem Grund kann ein Auseinanderfallen der Zuständigkeiten der Gerichte gegeben sein. Für den reibungslosen Binnenmarkt ist es erforderlich, dass der Erbe beim Gericht seines gewöhnlichen Aufenthalts Ausschlagungserklärungen abgeben kann. Der Europäische Gerichtshof stellt aber auch fest, dass Art. 13 Europäische Erbrechtsverordnung keinen Mechanismus kennt, wie die Information der Ausschlagung dann an das für den Erbfall zuständige Gericht am gewöhnlichen Aufenthaltsort des Erblassers gelangt. Der Europäische Gerichtshof weist darauf hin, dass es sowohl im Interesse des ausschlagenden Erben ist, dass die Information der Ausschlagung an das zuständige Gericht erfolgt, als auch im Interesse des durch die Erbausschlagung Begünstigten ist, dass das zuständige Gericht über die Ausschlagung informiert wird. Daneben stellt der Europäische Gerichtshof fest, dass auch das Gericht, an dem die Ausschlagung erklärt wird, ein Interesse im Rechtsverkehr haben sollte, dass die Erklärung an das zuständige Gericht übermittelt wird. Insofern wird mit einer Interessenbekundung aller am Verfahren beteiligter Personen eine Zusendungs- oder Übermittlungspflicht an das zuständige Gericht hergeleitet, was sich aus den Beweggründen der Europäischen Erbrechtsverordnung ergibt, explizit jedoch nicht aus Art. 13 Europäische Erbrechtsverordnung.
EUGH, Az.: C-651/21, Urteil vom 30.03.2023, eingestellt am 01.05.2024