Zur Anerkennung von Wertbemessungen des Erblassers für Leistungen und Gegenleistungen
Im Erbrecht und insbesondere bei der Fragestellung von Pflichtteilsansprüchen und Pflichtteilsergänzungsansprüche stellt sich häufig die Frage, wie Leistungen zu bemessen sind, die ein Erblasser oder eine Erblasserin einer Person für Leistungen zukommen lässt. Zahlt beispielsweise die Erblasserin für Pflege oder Sozialleistungen an einem zukünftigen Erben zu Lebzeiten einen Geldbetrag in monatliche Höhe dafür, dass dieser mit ihr Essen geht, spazieren geht oder Pflegeleistungen erbringt, so ist der Erblasserin grundsätzlich im Rahmen der Privatautonomie das Recht einzuräumen, dass sie das Wertverhältnis von Leistung und Gegenleistung nach eigenem Belieben bemisst. Dies entspricht dem Grundsatz und der sogenannten subjektiven Äquivalenz, wonach derjenige, der Leistung empfängt, selbst bestimmen kann, wie hoch ein Gegenwert hierfür anzusetzen ist.
Vor dem Oberlandesgericht Koblenz ging es in einem Pflichtteilsergänzungsverfahren genau um diese Fragestellung. Hier hatte die Erblasserin, die im Pflegeheim untergebracht war, einer Tochter, die sich um diese gekümmert hatte für soziale Leistungen, die ihr die Möglichkeiten bot, außerhalb des Heimes am sozialen Leben teilzunehmen, einen Betrag von monatlich 1.000 € gewährt. Nach dem Tod der Erblasserin gab es zwischen der Tochter, die die Leistungen erbracht hatte und Erbin wurde und der anderen Tochter, die von der Erblasserin enterbt wurde und die Pflichtteilsansprüche und Pflichtteilsergänzungsansprüche geltend machte Streit um die Bemessungen für die erbrachten Leistungen. Das Oberlandesgericht Koblenz stützt sich in seiner Argumentation für die Wertbestimmung auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofes, BGH NJW 95, 1349 ff. Danach gilt, dass die Bemessung des Wertes für Leistung und Gegenleistung grundsätzlich im Rahmen der Privatautonomie durch die Erblasserin oder den Erblasser zu bestimmen ist. Hierbei gilt außerdem, dass auch eine objektiv geringere oder wesentlich geringere Gegenleistung aus subjektiver Sicht des Erblassers noch als gleichwertig angesehen werden kann. Bei der gerichtlichen Bewertung, ob die Grenzen zwischen Leistung und Gegenleistung stark auseinanderfallen und damit gebrochen sind gilt, dass lediglich eine Überprüfung zu erfolgen hat, ob die unterschiedliche Bewertung auf Willkür beruht und deswegen zu einer Verringerung oder Aushöhlung des jeweiligen Pflichtteilsanspruchs des Pflichtteilsberechtigten führen kann. Dies wäre beispielsweise der Fall, wenn Leistungen und Gegenleistungen in einem groben Missverhältnis stehen würden.
Im vorliegenden Fall kam das Oberlandesgericht Koblenz zu dem Schluss, dass bei einer Leistung von 1.000 € pro Monat für die erbrachten Gegenleistungen der Erbin keine Durchbrechung dieses Prinzips vorliegt, so dass ein Pflichtteilsergänzungsanspruch am Ende für diesen Fall ausgeschlossen wurde.
OLG Koblenz, Aktenzeichen 12646/20, Hinweisbeschluss vom 24.09. 2020, eingestellt am 22.03.2021