Zum Recht des Gläubigers, einen Erbschein zu verlangen
Das Gesetz bietet nicht nur die Möglichkeit, dass sich Erben nach dem Tod des Erblassers einen Erbschein ausstellen lassen können, der ihr Erbrecht ausweist. Auch der Gläubiger des Erblassers hat das Recht, sich für die Zwecke der Zwangsvollstreckungen einen Erbschein, der auf den Namen des Erben (Schuldners) ausgestellt ist, zu verschaffen. Diese Regelung ist in § 792 ZPO niedergelegt. Voraussetzung hierfür ist, dass der Gläubiger einen vollstreckbaren Titel gegen den Schuldner vorlegen kann. Auf die generelle Zulässigkeit einer Zwangsvollstreckungsmaßnahme kommt es in dem Verfahren nicht an.

In einem aktuellen Verfahren vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf ging es darum, ob der Gläubiger Pflichten hat, beispielsweise in der Nachlassakte nachzuforschen, ob testamentarische Verfügungen vorliegen oder ob die gesetzliche Erbfolge eingetreten ist. In dem Fall hatte die Gläubigerin behauptet, dass ein Erbe ausgeschlagen habe und der andere Erbe die Erbschaft angenommen habe. Es wurde jedoch keine Einsichtnahme in die Nachlassakte durch die Gläubigerin vorgenommen. Darüber hinaus hatte die Gläubigerin auch nicht nachgewiesen, dass sie beispielsweise beim Standesamt Nachforschungen angestellt hat, ob die Erblasserin weitere Abkömmlinge als die beiden der Gläubigerin bekannten hatte. Das Gericht führt in seinen Erwägungen aus, dass die Gläubigerin in einem solchen Fall für die Behauptung, dass keine weiteren Erben vorhanden seien, einen Nachforschungsantrag beim Standesamt stellen könnte. Auch wenn das Standesamt möglicherweise die berechtigten Interessen Dritter, zu denen auch die Gläubigerstellung gehört, verneint hätte, so hätte die standesamtliche Urkunde mit der Maßgabe der Übersendung an das Nachlassgericht beantragt werden können. Die danach erfolgte Einsichtnahme der Nachlassakte hätte die Möglichkeit erbracht, sich über mögliche Abkömmlinge und deren Erbenstellung zu informieren.

Praxishinweis:
Die Entscheidung macht deutlich, dass auch an den Gläubiger, der im Rahmen des Zwangsvollstreckungsverfahrens einen Erbschein anstelle der Schuldner beantragt, Anforderungen für seine Nachforschungspflicht gestellt werden. Die reine eidesstattliche Versicherung, dass nach bestem Wissen und Gewissen keine weiteren Erben vorhanden sind, ist nicht zwangsläufig ausreichend.
OLG Düsseldorf, Az. I-3 WX 210/19, Beschluss vom 19.12.2019, eingestellt am 01.07.2020