Auch die Versäumung der Ausschlagungsfrist kann im Erbfall angefochten werden
In Deutschland geht eine Erbschaft kraft Gesamtrechtsnachfolge (Universalsukzession) vom Erblasser auf den oder die Erben über. Eine Kenntnis des Erben ist hierfür nicht erforderlich. Erfährt ein Erbe von dem Anfall der Erbschaft, so hat er, wenn er sich in Deutschland aufhält, sechs Wochen Zeit, die Erbschaft auszuschlagen. Hält er sich dagegen im Ausland auf, so hat er eine Frist von drei Monaten, um die Erbschaft auszuschlagen. Regelmäßig sind diese Fristen so kurz bemessen, dass es kaum ausreichend ist, sich einen Eindruck über den Nachlass zu machen. Da die Erbschaft automatisch anfällt, hat der Erbe nach Kenntnis des Erbfalls und nach Kenntnis der Erbenstellung die Möglichkeit, die Ausschlagung zu erklären. Tut er dies nicht innerhalb der genannten Fristen, dann bleibt ihm nur die Möglichkeit, die Versäumung der Ausschlagungsfrist nach § 1956 BGB anzufechten. Wurde bereits die Annahme erklärt, so ist die Anfechtung wegen Irrtums möglich.
Vor dem Oberlandesgericht Brandenburg ging es in einem Fall der Versäumung der Ausschlagungsfrist darum, ob die Betroffene wirksam anfechten konnte. Da die betroffene Erbin, die zwar vom Gericht darüber informiert wurde, dass sie Erbin wurde, aber keine Mitteilung hinsichtlich der Formalien einer Anfechtung erhielt, hatte sie die Anfechtung formlos gegenüber dem Gericht erklärt. Dies wurde vom Gericht nicht als Anfechtung gewertet, da hierfür eine Erklärung entweder direkt gegenüber dem Gericht bei der Antragstelle oder aber mittels notarieller Erklärung zu erfolgen hat. Da die Betroffene keine Kenntnis hiervon hatte und dies glaubhaft nachweisen konnte, wurde die Anfechtung durch das Gericht akzeptiert. Die versäumte Frist war deshalb angefochten worden und die Betroffene konnte mittels Erklärung gegenüber dem Gericht die Ausschlagung wirksam erklären.
OLG Brandenburg, Az.: 3 W 45/21, Beschluss vom 19.10.2021, eingestellt am 22.06.2022