Vorbehaltenes Wohnrecht und Hemmung der Abschmelzungsfrist nach § 2325 BGB
Während im Rahmen eines Nießbrauchsvorbehalts, den sich der Erblasser bei schenkweiser Übergabe der Wohnung vorbehält, ist es rechtlich unstreitig, dass im Rahmen des Pflichtteilsanspruchs die Abschmelzungsfrist nach § 2315 BGB bei einem vollständigen Nießbrauch bis zum Todesfall oder bis zur Aufgabe des Nießbrauchsrechts gehemmt ist. Die Frage, die sich daran anschließt ist, ob dies auch bei einem Wohnungsrecht der Fall ist.

In der Rechtsprechung wird das Wohnungsrecht als beschränkt persönliche Dienstbarkeit als ein Weniger zum Nutzungsrecht des Nießbrauchs angesehen. Es kommt aber auch hier bezüglich der Frage der Hemmung der Abschmelzungsfrist darauf an, wie das Wohnungsrecht ausgestaltet ist.

Vor dem Oberlandesgericht München ging es im Fall des Pflichtteilsergänzungsanspruchs um die Fragestellung, ob der schenkweise übertragene Resthof mit dem eingeräumten Wohnungsrecht für das Bauernhaus vollständig der Abschmelzungsfrist unterliegt, ob dieser gar nicht der Abschmelzung unterliegt, oder respektive lediglich des Wohnhauses der Abschmelzungsfrist unterliegt.

Im Ergebnis kommt das OLG München zu der Auffassung, dass aufgrund der notariellen Urkunde der Hof schenkweise übertragen wurde, es sich hierbei nicht mehr um einen landwirtschaftlichen Hof gehandelt hat, so dass höferechtsähnliche Übertragungsverhältnisse nicht vorliegen und der Erblasser sich das Wohnungsrecht nicht für das vollständige Gebäude gesichert hatte, sondern auch noch Mitbenutzungsrechte für das Grundstück insgesamt hatte. Aufgrund der Tatsache, dass das Wohnungsrecht den Beschenkten von der Nutzung vollständig ausschloss, darüber hinaus das Mitbenutzungsrecht für Grund und Boden dem Beschenkten die weitere Verwertung ohne Einschränkung der Rechte des Erblassers nicht ermöglichte, war die gesamte Besitzübertragung zum Erbfall mit ihrem Wert einzustellen. Eine Abschmelzung im Rahmen der 10-Jahresfrist nach § 2325 BGB kam deshalb nicht in Betracht.

Praxishinweis:
Bei Nießbrauchs- und Wohnungsrechtseinräumung im Rahmen der schenkweisen Übertragung von Grundbesitz ist also darauf zu achten, wie die Übertragung erfolgt, welche Nutzungsrechte eingeräumt werden und in welchem Umfang der Beschenkte von der Nutzung ausgeschlossen wird. Anderenfalls kann die so schenkweise übertragene Immobilie im Rahmen der Anrechnung der Pflichtteilsergänzung vollumfänglich mit einkalkuliert werden. Wenn dies nicht gewollt ist, muss entsprechend notariell beurkundet werden, dass sowohl Nießbrauch oder auch das lebenslange Wohnrecht nur eingeschränkt auf die Immobilie oder Teilen davon eingetragen werden.
OLG München, Az.: 33 U 5525/21, Urteil vom 08.07.2022, eingestellt am 22.11.2022