Das Verhältnis von Vermächtnisansprüchen und Pflichtteilsansprüchen zueinander im Erbrecht
Vor dem Oberlandesgericht Koblenz ging es in einem aktuellen Verfahren um die Fragestellung, in welchem Verhältnis Pflichtteilsansprüche zu Vermächtnissen, die ein Erblasser in seinem Testament ausgelobt hat, stehen. Das Oberlandesgericht Koblenz führt in seinem Beschluss aus, dass im Rahmen der herrschenden Rechtsprechung nach § 2311 Absatz 1 Satz 1 BGB für die Ermittlung des Nachlasswertes die Vermächtnisse unberücksichtigt bleiben. Das bedeutet, dass für die Nachlasswertermittlung zum Todeszeitpunkt des Erblassers, die die Basis für die Zahlungsanspruch des Pflichtteilsberechtigten bildet, etwaige Vermächtnisse oder Vorausvermächtnisse außer Acht bleiben. Alles, was im Rahmen von Vermächtnissen ausgelobt wurde wird also dem Nachlasswert hinzu geschlagen, auf den sich dann der Pflichtteilsanspruch berechnet. Der Grund der Regelung des § 2311 BGB ist, dass der Erblasser durch die Auslobung von Vermächtnissen nicht den Pflichtteilsanspruch des Pflichtteilsberechtigten aushöhlen soll. Das Pflichtteilsrecht überlagert damit das Vermächtnisrecht.

Das Gericht führt in der Begründung weiterhin aus, dass dieser Schutzgedanke des Pflichtteilsberechtigten ebenso dem § 1991 Absatz 4 BGB zugrunde liegt, wonach Pflichtteilsansprüche vorrangig gegenüber Auflagen und Vermächtnissen sind.

Praxishinweise: Erblasser, die im Rahmen der Testamentserstellung sicherstellen wollen, dass der Pflichtteilsberechtigte durch Vermächtnisse und Auflagen in seinem Pflichtteilsrecht beschränkt wird, müssen wissen, dass dies bei der Berechnung des Pflichtteilsanspruchs gerade nicht dazu führt, dass der Pflichtteilsanspruch des pflichtteilsberechtigten Erben geschmälert wird.
OLG Koblenz, Aktenzeichen 12 U 107/20, Beschluss vom 03.07. 2020, eingestellt am 15.11.2020