Erbschaftsausschlagung aufgrund der Überschuldungsvermutung
Der Erbe hat das Recht, die Erbschaft auszuschlagen. Die Ausschlagung wird mittels notarieller Erklärung gegenüber dem Nachlassgericht abgegeben oder direkt vor dem Nachlassgericht erklärt. Häufig wird die Erbschaft ausgeschlagen, da der Nachlass überschuldet und nicht werthaltig ist. In manchen Fällen stellt sich allerdings heraus, dass die mangelnde Werthaltigkeit zunächst nur angenommen wurde und sich im späteren Verlauf, nach der Ausschlagung, herausstellt, dass der Nachlass werthaltig war. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob die Ausschlagungserklärung später angefochten werden kann.

In einer aktuellen Entscheidung vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf führt das Gericht aus, was die Voraussetzung der Erbschaftsausschlagung aufgrund eines Irrtums über den Grad der Überschuldung des Nachlasses ausmacht. Voraussetzung hierfür ist, dass es sich bei dem Irrtum nicht um einen bloßen Motivirrtum handelt, sondern um einen Irrtum über die verkehrswesentliche Eigenschaft der Erbschaft. Der bloße Motivirrtum reicht nicht aus, um eine Ausschlagungserklärung wirksam anzufechten. In dem vorliegenden Fall hatten die potentiellen Erben zunächst keine Kenntnis über die Werthaltigkeit des Nachlasses und haben aufgrund einer Überschuldungsvermutung die Erbschaft ausgeschlagen. Grundsätzlich ist anerkannt, dass ein überschuldeter Nachlass eine verkehrswesentliche Eigenschaft darstellt, die grundsätzlich zur Anfechtung berechtigt, wenn man über die Werthaltigkeit im Irrtum war. Dies allerdings nur, wenn bezüglich der Überschuldung der die vorherige Erbschaftsausschlagung Anfechtende von falschen Vorstellungen bezüglich der Zusammensetzung der Aktiva und Passiva und damit des Nachlasses insgesamt ausgegangen ist. Wer allerdings ohne jegliche Kenntnis hinsichtlich der Zusammenhänge den Nachlass ausschlägt, dem liegt keine Fehlvorstellung über den Nachlass zugrunde, da es eine reine Spekulation hinsichtlich der Werthaltigkeit war, die zur Anfechtung führte. Die rein spekulative Ausschlagung basiert nicht auf einer Bewertung von Fakten, die dem Erben zugänglich waren, sondern auf einer bewussten ungesicherten Grundlage. Der Irrtum basiert deshalb nicht auf einer verkehrswesentlichen Eigenschaft, sondern lediglich auf einem Motiv. Der Motivirrtum reicht nach herrschender Rechtsprechung nicht aus, um eine zuvor erfolgte Erbschaftsausschlagung im Nachhinein wirksam anfechten zu können.
OLG Düsseldorf, Az.: I - 3 Wx 13/20, Beschluss vom 09.12.2020, eingestellt am 15.04.2021