Widerruf eines Testaments durch das Zerreißen des zweiten Originals
Es kommt immer wieder vor, dass Erblasser ein Testament in mehrfacher Ausfertigung errichten. Diese Testamente sind dann inhaltsgleich, taggleich datiert und eigenhändig verfasst und unterzeichnet. Diese Originale liegen dann zum Teil bei unterschiedlichen Personen zur Aufbewahrung.

Vor dem Oberlandesgericht Köln ging es in einer aktuellen Entscheidung darum, ob die Erblasserin, die eines von zwei Originaltestamenten zerrissen hatte, damit zum Ausdruck gebracht hatte, dass sie an diesem Testament nicht mehr festhalten wollte. In dem Fall hatte die Erblasserin zunächst ihren Urenkel als Alleinerben eingesetzt. Später verfasste sie ein neues eigenhändiges Testament und setzte ihre Haushälterin als Alleinerbin ein. Sie fertigte zwei gleichlautende Testamente an und gab eines der Haushälterin. Der Haushälterin wurde auch ein Haus verkauft und sie erhielt eine Vollmacht. Da die Haushälterin im Rahmen der Vollmacht 50.000 € ohne Zustimmung der Erblasserin vom Konto der Erblasserin abgehoben hatte, wollte die Erblasserin nicht mehr an ihrem Testament festhalten. Vor ihrem Anwalt zerriss die Erblasserin das Testament und teilte mit, dass sie an ihrem letzten Willen nicht festhalten wollte. Zudem versuchte sie, den Hausverkauf rückgängig zu machen.

Nach dem Tod der Erblasserin legte die Haushälterin im Erbscheinverfahren eines der Originaltestamente vor. Der Urenkel beantragte einen Erbschein, der ihn als Alleinerben ausweisen sollte. Im Erbscheinverfahren wurde der Anwalt als Zeuge vernommen. Der Anwalt, der selbst kein Interesse am Ausgang des Verfahrens hatte, sagte glaubhaft aus, dass die Erblasserin ihren letzten Willen aufheben wollte. Sie hatte diesbezüglich das Testament vor seinen Augen zerrissen.

Nach § 2253 BGB kann jeder Erblasser sein Testament ohne einen besonderen Grund widerrufen. Nach § 2255 BGB reicht hierfür das Zerreißen der Testamentsurkunde durch den Erblasser aus.

Das Oberlandesgericht Köln sah es in der Urteilsbegründung als erwiesen an, dass die Erblasserin durch das Zerreißen nicht mehr an ihren letzten Willen festhalten wollte, weshalb die Haushälterin nicht mehr Erbin war. Das Oberlandesgericht Köln ging aufgrund des hohen Alters der Erblasserin davon aus, sie war 90 Jahre alt, als sie das Testament zerriss, dass sie schlicht vergessen hatte, dass es ein weiteres Testament gab, was sie nicht zurückgefordert hatte.
OLG Köln, Aktenzeichen 2 Wx 84/20, Beschluss vom 22.04.2020, eingestellt am 08.06.2020