Der Erbverzicht eines Elternteils führt nicht zu Erhöhung des Erbschaftsteuerfreibetrages
Das Erbschaftsteuerrecht kennt Freibeträge für Ehegatten, Kinder und Kindeskinder sowie übrige Personen der Steuerklassen I, II und III. Nach § 16 Abs. 1, Ziff. 2 ErbStG haben Kinder einen Freibetrag in Höhe von 400.000,00 €. Gleiches gilt für Enkelkinder, wenn die Elterngeneration vorverstorben ist.
Vor dem Finanzgericht Niedersachsen ging es um die Fragestellung, ob der Freibetrag von 400.000,00 € auch dann Anwendung findet, wenn die Elterngeneration einen Erb- und Pflichtteilsverzichtsvertrag abgeschlossen haben. Zivilrechtlich gilt in einem solchen Fall nach § 2346 BGB die sogenannte Vorversterbensfiktion. Die Personen, die also einen Erb- und Pflichtteilsverzicht erklären, gelten als bereits verstorben, so dass sie in der Erbfolge nicht berücksichtigt werden, sondern dann die Kindesgeneration zum Tragen kommt.
Das Finanzgericht Niedersachsen stützt sich auf eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs, Az.: II B 39/20, Beschluss vom 27.07.2020, in dem auf eine ähnliche Fragestellung bereits eingegangen ist. Hiernach gilt, dass nur das tatsächliche Vorversterben den höheren Freibetrag von 400.000,00 € für die Enkelgeneration auslöst. Eine zivilrechtliche Vorversterbensfiktion führt nicht zu erhöhten Freibeträgen. In einem solchen Fall hat das Enkelkind also einen Freibetrag von lediglich 200.000,00 €. Ebenso befasst sich die Entscheidung mit der Fragestellung, ob Urenkel im Rahmen des Vorversterbens einen höheren Freibetrag erhalten, wenn zuvor Kindergenerationen vorverstorben sind. Anhand des Wortlauts des § 16 ErbStG kommt das Gericht zu dem Schluss, dass die Besserstellung im Rahmen des Freibetrages nur für Kindeskinder gilt, nicht jedoch auch für Urenkelkinder. Damit verbleibt den Urenkeln im Rahmen des Direkterwerbs ein Freibetrag von 100.000,00 €.
FG Niedersachsen, Az. 3 K 176/21, Urteil vom 28.02.2022, eingestellt am 08.09.2022