Zum gewöhnlichen Aufenthalt des pflegebedürftigen Erblassers in einem Pflegeheim
Vor dem Oberlandesgericht Celle ging es in einer Erbstreitigkeit um die Fragestellung, ob die Erblasserin, die kurz vor ihrem Tod für einige Wochen in ein Pflegeheim gekommen war und bereits geschäftsunfähig war, dort ihren gewöhnlichen Aufenthalt begründet hat oder nicht. Die Frage stellte sich im Zusammenhang der örtlichen Zuständigkeit des Gerichts am vorherigen Wohnort oder aber des Amtsgerichts am Sterbeort.

Der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts findet sich in Artikel 4 der Europäischen Erbrechtsverordnung (Verordnung (EU) Nr. 650 aus 2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 04.07.2012 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidung und die Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen, sowie zur Einführung eines europäischen Nachlasszeugnisses). Da die Verordnung den Begriff des „gewöhnlichen Aufenthalts“ selbst nicht definiert, ist dieser Begriff autonom im Rahmen des Europarechts auszulegen. Auf europarechtlicher Ebene ist hier zu unterscheiden in ein subjektives Element und ein objektives Element. Während das objektive Element von einem Aufenthalt von einer gewissen Dauer, regelmäßig sechs Monate und länger, ausgeht, bedarf es für das subjektive Element den Willen, an einem bestimmten Ort seinen gewöhnlichen Aufenthalt zu begründen.

Das OLG Celle ist dieser Auslegungsregel nicht gefolgt, sondern hat eine eigene Auslegung vorgenommen, insbesondere unter der Prämisse, dass die Erblasserin bereits dement war und den Umzug in das Pflegeheim selbst nicht mehr mit ihrem Willen gesteuert hat. Aus diesem Grund hat das OLG Celle angenommen, dass mit dem Umzug in das Pflegeheim und der damit einhergehenden faktisch nicht mehr gegebenen Rückkehr an den gewöhnlichen vorherigen Wohnort, die Neubegründung des gewöhnlichen Aufenthaltes der Erblasserin im Pflegeheim stattgefunden hat.

Auch wenn die Entscheidung nicht mit europarechtlichen Vorgaben in Einklang zu bringen ist, so bietet sie doch einen Hinweis für die Fälle, in denen eine demente Person in ein Pflegeheim verzieht, respektive verzogen wird, und dort verstirbt. Da der gewöhnliche Aufenthalt im europäischen Kontext meist mit Grenzüberschreitungen zu tun hat, in diesem Fall lediglich die Bestimmung des zuständigen Amtsgerichts erforderlich war, kann diese Entscheidung zumindest für die Beurteilung des zuständigen Nachlassgerichtes herangezogen werden.
OLG Celle, Az.: 6 AR 1/19, Beschluss vom 12.09.2019, eingestellt am 15.02.2020