Praxishinweis: 
Pflichtteilsanspruch und Ehegattenschenkungen

In der erbrechtlichen Beratung nach einem Todesfall eines Ehegatten in einer Patchworkfamiliensituation erlebe ich es häufig, dass Ehegatten zu Lebzeiten die Pflichtteilsansprüche von Kindern aus einer vorherigen Ehe oder Beziehung dadurch zu schmälern suchten, indem sie Vermögenswerte an den anderen Ehegatten übertragen. Ein wesentlicher Vermögenswert, der in solchen Konstellationen häufig übertragen wird, ist der hälftige Miteigentumsanteil am Familienheim oder aber auch die Übertragung der Gesamtimmobilie oder mehrere Immobilien. Diese Übertragungen erfolgen sehr häufig zu Lebzeiten der Ehegatten in Form einer Schenkung und die Ehegatten gehen dann davon aus, da vorher eine anwaltliche Beratung durch einen Fachanwalt für Erbrecht nicht erfolgte, dass durch diese Schenkung Pflichtteilsansprüche der Kinder aus einer vorherigen Beziehung reduziert werden können. Diese gewünschte Rechtsfolge tritt jedoch nicht ein.

§ 2325 Abs. 3 S. 3 BGB stellt ausdrücklich klar, dass im Rahmen von Pflichtteilsergänzungsansprüchen Schenkungen an den anderen Ehegatten erst mit der Auflösung der Ehe der Abschmelzung unterliegen. Die Auflösung der Ehe erfolgt aber entweder durch Tod oder durch Scheidung der Beteiligten. Das bedeutet im Einzelnen, dass jeder Schenkungsvertrag unter Ehegatten, der während der Ehezeit ausgehandelt worden ist, unabhängig wann dieser in der Ehezeit abgeschlossen wurde, im Rahmen des Pflichtteilsergänzungsanspruchs zu berücksichtigen ist, wenn die Ehe durch Tod eines Ehegatten beendet wird. Eine Schenkung unter Ehegatten oder ehebedingte Zuwendung unterliegt dann gerade nicht der Abschmelzung nach § 2325 Abs. 2 BGB. Der überlebende Ehegatte ist dann zwar Eigentümer der geschenkten Immobilie, der Wert der Schenkung ist dann aber vollständig im Rahmen des Pflichtteilergänzungsanspruchs zu berücksichtigen. Das Ziel der Ehegatten wird demnach nicht erreicht.

Dieses Ergebnis, das von den Beteiligten in der Regel nicht gewollt ist, entsteht meist dadurch, dass eine fachanwaltliche Beratung im Erbrecht nicht gesucht wird. Es ist den Beteiligten in der Regel nicht bekannt, dass ein Notar nicht beratend tätig sein darf, sondern nur beurkundet, was von den Beteiligten beurkundet werden soll. Erbrechtliche Aspekte wie Pflichtteilsergänzungsansprüche können dadurch unberücksichtigt bleiben.

Es gibt umfassende Gestaltungsmöglichkeiten, wie man einem Ehegatten zur Vermeidung von Pflichtteilsergänzungsansprüchen Vermögen zukommen lassen kann, ohne dass dies vom § 2325 BGB erfasst wird. Hierfür sollten sich die Ehegatten, die diese Folge wünschen fachanwaltlich beraten lassen. Die Rechtsberatung und das Aufzeigen der Gestaltungsmöglichkeiten kann durch den Fachanwalt für Erbrecht erfolgen und die entsprechenden Verträge werden durch unsere Kanzlei erfolgreich gestaltet. Dies bietet einen Schutz für den jeweils überlebenden Ehegatten, dass er sich keinen Ansprüchen nach §2325 Abs. 3 BGB ausgesetzt sieht.

Dr. Christian Kasten, eingestellt am 08.10.2023