Zur Frage des anwendbaren Rechts in einem türkisch/deutschen Erbfall
Im vorliegenden Fall hatte das OLG Hamm darüber zu entscheiden, welches Recht auf einen deutsch - türkischen Erbfall Anwendung findet.
Der Erblasser war türkischer Staatsangehöriger mit seinem gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland. In diesem Zusammenhang stellte sich die Frage, ob die Europäische Erbrechtsverordnung anzuwenden sei. Das OLG Hamm kam korrekter Weise zu dem Entschluss, dass die Europäische Erbrechtsverordnung nicht anzuwenden sei. Vielmehr gilt in einem Fall, in dem ein türkischer Staatsangehöriger in Deutschland verstirbt das Deutsch – Türkische - Nachlassabkommen. Hierbei handelt es sich um einen Konsularvertrag zwischen dem damaligen Deutschen Reich und der Türkischen Republik aus dem Jahr 1929. Dieses Deutsch -Türkische - Nachlassabkommen geht als bilateraler völkerrechtlicher Vertrag der Europäischen Erbrechtsverordnung vor, vgl. Art. 75 Abs. 1 Europäische Erbrechtsverordnung. Durch die Anwendung des Deutsch – Türkischen - Nachlassabkommens kommt es nach § 14 des Abkommens zu einer Nachlassspaltung. Dies ist dem Umstand geschuldet, dass das Abkommen die Vereinbarung trifft, dass sich das bewegliche Vermögen im Erbrechtsfall nach dem Recht der Staatsangehörigkeit des Erblassers richtet. Das unbewegliche Vermögen, Immobilien, richten sich nach dem Recht des Landes, in dem die Immobilie belegen ist. Da der Erblasser sowohl bewegliches als auch unbewegliches Vermögen in Deutschland hatte, ist für die Immobilie in Deutschland deutsches Erbrecht anzuwenden, während für das bewegliche Vermögen türkisches Erbrecht anzuwenden ist.
In diesem Zusammenhang stellte sich auch die Frage, inwieweit die türkische Ehefrau die erbrechtliche Erhöhung um ¼ nach § 1371 BGB zu erhalten hätte. Da auf den Güterstand der Eheleute türkisches Recht anzuwenden war, konnte das Gericht den Streit der Qualifikation, ob es sich § 1371 BGB um eine erbrechtliche oder um eine familienrechtliche und damit güterrechtliche Regelung handelt, offenlassen. Eine Erhöhung des Erbteils der Ehefrau blieb deshalb nach deutschem Recht unberücksichtigt.
Es erfolgte somit die Vererbung nach türkischem Recht mit Ausnahme der Immobilie in Deutschland. Eine solche Nachlassspaltung kommt in Fällen der Anwendung von türkischem Recht aufgrund der türkischen Staatsangehörigkeit des Erblassers auf Erbfälle in Deutschland regelmäßig vor.
OLG Hamm, Beschluss vom 21.03.2019, Az.: 10 W 31/17, eingestellt am 15.06.2019