Auch eine unter Betreuung stehende Erblasserin mit einer affektiven manischen Störung kann testierfähig sein
In einem aktuellen Verfahren vor dem Oberlandesgericht Hamm ging es um die Fragestellung, ob die Erblasserin, die zuvor im Jahre 1982 mit ihrem Ehemann ein gemeinschaftliches Ehegattentestament gemacht hatte, wonach sie sich gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt hatten, später trotz einer affektiven manischen Störung in der Lage war, neu zu testieren. Das gemeinschaftliche Ehegattentestament führte ausdrücklich aus, dass lediglich die wechselseitige Alleinerbeneinsetzung wechselbezüglich sein sollte. Bezüglich der Schlusserbeneinsetzung hatten die Ehegatten ausdrücklich notariell testiert, dass eine Abänderungsbefugnis besteht. Der Ehemann starb im Jahr 1990 und im Jahr 1998 wurde für die Erblasserin die Betreuung angeordnet, die Vermögensangelegenheiten und auch die psychiatrische Gesundheitsfürsorge betraf. Die Erblasserin errichtete im Jahr 2004 ein notarielles Testament, in dem unter Bezug auf die Abänderungsbefugnis, die das vorherige gemeinschaftliche Ehegattentestament vorsah, die Schlusserbeneinsetzung abgeändert wurde.

Nach dem Tod der Erblasserin stritten die vermeintlichen Erben darüber, ob die Erblasserin zur Zeit der Testamentserrichtung testierfähig war. Hierzu wurde nicht nur der Notar vernommen, sondern auch zwei Sachverständige zu dem Thema Testierfähigkeit im Jahre 2004 gehört. Beide Sachverständigen nahmen an, dass im Jahre 2004 eine Testierunfähigkeit der Erblasserin nicht anzunehmen sei. Im Rahmen der Beweisaufnahme sah das Oberlandesgericht auch die Krankenakten bei verschiedenen behandelnden Ärzten und dem Krankenhaus der Erblasserin ein. Ebenso wurden Ärzte schriftlich befragt und auch die Pflegedokumentation, die das Pflegeheim verfasst hatte, wurde für die Bewertung der Testierfähigkeit durch den Senat geprüft. Aus dieser Prüfung ergab sich für den Senat, dass keine krankhafte Störung der Geistestätigkeit in der Form vorlag, die zu einer Testierunfähigkeit der Erblasserin im Jahr 2004 geführt hätte. Aus diesem Grund ergab sich für das Gericht, dass die affektive manische Störung der Erblasserin, die zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung unter Betreuung stand, nicht dazu geführt hat, dass das notarielle Testament aufgrund einer Testierunfähigkeit unwirksam war. Die geänderte Schlusserbeneinsetzung, die die Erblasserin im Jahr 2004 durch ihr eigenes notarielles Testament angeordnet hatte, war demnach rechtens.
OLG Hamm, Az.: 15 W 453/17, Beschluss vom 05.02.2020, eingestellt am 01.10.2020