Freibeträge im Rahmen der Vor- und Nacherbschaft und beim Zusammentreffen von Erbschaft und Nacherbschaft
Bei der Vor- und Nacherbschaft ist zwischen der zivilrechtlichen Betrachtung und der steuerrechtlichen Betrachtung zu unterscheiden.

Zivilrechtlich ermöglicht die Vor- und Nacherbschaft, dass der Erblasser zwei Mal den Übergang seines Vermögens im Todesfalle regeln kann. Im ersten Fall regelt er den Übergang im Rahmen der Vorerbschaft auf den Vorerben und gleichzeitig, wer Erbe für diesen übergangenen Nachlass nach dem Tod des Vorerben wird. Derjenige ist dann der Nacherbe. Anders als in einem gewöhnlichen Testierfall kann somit geregelt werden, dass erbrechtlich zwei Mal der Vermögensübergang im Todesfall festgelegt wird.

Erbschaftsteuerrechtlich gilt nach § 6 Abs. 1 ErbStG der Vorerbe als Erbe und wiederum der Nacherbe als Erbe des Vorerben. Besteuerungsmerkmale sind nur im Verhältnis der Person Erblasser zum Erben anzusehen und deshalb nicht in Person Nacherbe zum Vorerben. Daraus erfolgt, dass auch bei der Besteuerung dies als separater Erbfall zu betrachten ist und sich auch die Steuerklasse des Nacherben im Verhältnis zum Vorerben richtet.

Liegt nun der Fall vor, dass der Nacherbe vom Vorerben im Rahmen der Anordnung des ursprünglichen Erblassers erbt und gleichzeitig der Vorerbe den Nacherben selbst für sein Eigenvermögen als Mit- oder Alleinerben einsetzt, dann ist erbschaftsteuerlich davon auszugehen, dass ein einheitlicher Erwerb von Todes wegen vom Vorerben vorliegt. Auch hier ist zivilrechtlich zu unterscheiden, dass zwei Erbfälle vorliegen, steuerrechtlich liegt lediglich ein Erbfall vor. Beide Nachlässe können miteinander verrechnet werden, allerdings bleibt es dabei, dass nur ein Freibetrag vorliegt. Steuerrechtlich gibt es dann die Besonderheit nach § 6 Abs. 2 ErbStG, dass der Nacherbe wählen kann, ob er den Freibetrag nach dem Vorerben oder dem Erblasser nimmt. Diese Wahl kann jedoch nur einmal getroffen werden und für den zweiten Erbfall können dann nur die Freibeträge noch ausgenutzt werden, die durch die Anrechnung des ersten Erbfalls nicht schon verbraucht wurden.
Bundesfinanzhof, Az. 2 R 1/20, Urteil vom 01.12.2021, eingestellt am 07.07.2023