Sittenwidrigkeit der Erbeinsetzung in Abhängigkeit von Besuchspflichten
Das OLG Frankfurt am Main hat entschieden, dass eine testamentarische Regelung, nach der ein Erblasser die Erbeinsetzung seiner Enkel davon abhängig macht, dass sie ihn mehrmals im Jahr besuchen, sittenwidrig und damit rechtswidrig ist.
In dem zu entscheidenden Fall hatte ein Großvater verfügt, dass seine Enkel als Erben eingesetzt würden, wenn diese ihn mehrmals im Jahr besuchen würden. Die Höhe der Erbschaft, die den Enkeln in dem Fall zufallen würde war nach Ansicht des Gerichts hoch genug, um die freie Willensbildung der Enkel beeinflussen zu können. Zwar empfand das Gericht den Besuchswunsch des Großvaters legitim, sah aber in der Erbeinsetzung auch ein wirtschaftliches Druckmittel, um diesen Wunsch durchzusetzen. Der Großvater hatte dem Vater seiner Enkelkinder zudem eine Abschrift des Testaments mit dem Hinweis der „Vollstreckungsdrohung“ zukommen lassen.
Art. 14 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz schützt die Testierfreiheit des Erblassers. Danach kann der Erblasser grundsätzlich selbst bestimmen, wie seine Erbfolge auszugestalten ist. Die Testierfreiheit findet aber in besonderen Ausnahmefällen ihre Grenze dann, wenn die Erbeinsetzung unter Bedingungen erfolgen soll, die im Einzelfall einen unzumutbaren Druck auf die Willensfreiheit des Erben darstellen. Die wirtschaftliche Verknüpfung des Besuchswunsch und die Höhe der Erbeinsetzung können eine solche Beeinträchtigung beim Erben darstellen. Widerspricht eine solche Erbeinsetzungsklausel dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden, so ist die Klausel sittenwidrig und kann nicht zur Anwendung in einem Testament führen. Die Folge ist dann die Erbeinsetzung ohne die entsprechende Klausel. Aus der Nichtigkeit der Klausel folgt deshalb nicht die Nichtigkeit der Erbeinsetzung. Die Enkel wurden Erben.
OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 05.02.2019, Az: 20 W 98/18, eingestellt am 15.05.2019