Operation als Risikofaktor für die Testier- und Geschäftsfähigkeit
Die gesteigerte Lebenserwartung verbunden mit medizinischen Möglichkeiten lässt auch Operationen bei hochbetagten Menschen zu. Diese werden häufig unter Vollnarkose durchgeführt und können ein Risiko für die einzelnen Personen bezüglich ihrer kognitiven Fähigkeiten darstellen. Bisher vorliegende Studienergebnisse zeigen, dass es bei Operationen zu postoperativ nachgewiesenen Beeinträchtigungen der Geistestätigkeit kommen kann. Das bedeutet, dass insbesondere bei älteren Menschen Operationen unter Vollnarkose zur Beeinträchtigung ihrer geistigen Fähigkeiten führen. Studien haben gezeigt, dass diese Beeinträchtigungen teilweise auch noch 6 Monate nach der Operation anhalten können.

In erbrechtlichen Streitigkeiten kommt es bei altersbedingter Demenz häufig darauf an, ob der Erblasser zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung noch testierfähig war oder ob bereits Beeinträchtigungen seiner Testierfähigkeit vorgelegen haben oder diese ausschlossen. Stehen bei dem Erblasser Operationen an, so kann nach derzeitigem wissenschaftlichen Stand nur geraten werden, vor der Operation ein Testament zu errichten und sofern es sich nicht um eine Notoperation handelt, gegebenenfalls die Testierfähigkeit psychiatrisch abklären zu lassen, damit im Nachgang zur Operation, sollte es zum Auftreten kognitiver Beeinträchtigung kommen, keine Streitigkeiten bezüglich der Testierfähigkeit im Erbfall entstehen.

In einem aktuellen Aufsatz führt Professor Wetterling aus, dass nachweisbare postoperativ eingetretene Störungen der geistigen Fähigkeiten aus wissenschaftlicher Sicht keine zuverlässigen Rückschlüsse darauf geben, dass die Person auch vor der Operation schon Einschränkungen der Testierfähigkeit beziehungsweise der geistigen Fähigkeiten oder auch der Geschäftsfähigkeit hatte.

Häufig werden diese Fragen in erbrechtlichen Streitigkeiten durch Gutachter zu klären sein. Es ist von höchstrichterlicher Rechtsprechung anerkannt, dass Gutachten bezüglich der Testierfähigkeit allein durch einen Facharzt für Psychiatrie erstellt werden können. Sollten Ärzte anderer Fachrichtung ein solches Gutachten erstellen, ist dieses Gutachten nicht verwertbar.
Quelle: Tilman Wetterling: Operationen - ein "Risiko" für die Geschäfts- und Testierfähigkeit bei Älteren? In Zeitschrift für die gesamte erbrechtliche Praxis. 2021. Seite 115 bis 117, eingestellt am 28.02.2021