Auch ein Vermächtnis kann konkludent ausgeschlagen werden
Vor dem Landgericht Bochum ging es in einem Rechtsstreit um die Fragestellung, ob ein Vermächtnis auch konkludent ausgeschlagen werden kann. Unter konkludentem Verhalten versteht man, dass ein schlüssiges Verhalten der Person gegeben ist, das darauf hindeutet, dass ein Anspruch beispielsweise geltend gemacht, nicht geltend gemacht oder ausgeschlagen wird.

In dem Verfahren hat der testamentarisch enterbte Sohn von der Mutter ein Vermächtnis ausgesprochen bekommen. Er hat gegenüber dem Alleinerben jedoch seinen Auskunftsanspruch auf Auskunft zum Nachlass mit einer Pflichtteilsforderung begründet und diese bereits fällig gestellt.

Wenn ein Pflichtteilsberechtigter sowohl einen Pflichtteilsanspruch hat, aber testamentarisch auch mit einem Vermächtnis bedacht ist, so ist nach § 2307 BGB vorgesehen, dass der Pflichtteilsberechtigte seinen Pflichtteil nur verlangen kann, wenn er das Vermächtnis ausschlägt. Sollte der Bedachte das Vermächtnis nicht ausschlagen, so steht ihm das Recht auf seinen Pflichtteil dann nicht zu, wenn das Vermächtnis ausreichend ist.

Dadurch, dass der enterbte Sohn seinen Pflichtteilsanspruch gegenüber dem Alleinerben bereits fällig gestellt hatte, sah das Gericht es nach Auslegung dieser Erklärung als erwiesen an, dass er hiermit konkludent auf sein Vermächtnis verzichtet hat. Eine konkludente Ausschlagung, die keiner Form bedarf, BGH, NJW 2001, 520, kann also auch in einem solchen Schreiben durch Fälligkeitsstellung des Pflichtteilsanspruchs gesehen werden.

Praxishinweis:
In Fällen, in denen der Pflichtteilsberechtigte auch ein Vermächtnisnehmer ist, ist es für das Wahlrecht des Pflichtteilsberechtigten erforderlich, Kenntnis darüber zu haben, was den Wert des Nachlasses ausmacht. Hierfür hat er einen Anspruch auf Auskunft hinsichtlich des Nachlasses, damit er dann im Anschluss feststellen kann, ob er das Vermächtnis annimmt oder ausschlägt. Gleichzeitig kann ihm der Erbe, der das Vermächtnis zu erfüllen hat, eine Frist setzen, innerhalb derer der Pflichtteilsberechtigte sich zu erklären hat, ob er das Vermächtnis annimmt oder nicht. Mit Fristverstreichung gilt das Vermächtnis als ausgeschlagen. Wichtig ist jedoch, dass der Vermächtnisnehmer in eine Situation versetzt wird, dass er die Werthaltigkeit des Pflichtteilsanspruchs gegen die Werthaltigkeit des Vermächtnisses abwägen kann. Hierfür ist die Auskunft erforderlich. Die Auskunft sollte aber, so wie es die Entscheidung des Landgerichts zeigt, nicht mit einer Fälligkeitsstellung des Anspruchs verbunden werden, da dies das Vermächtnis ausschlagen kann.
Landgericht Bochum, Az.: 5 O 41/22, Urteil vom 24.06.2022, eingestellt am 08.11.2022