Zur Frage, ob eine nachträglich anfallende Gewinnsteuer im Pflichtteilsrecht zu berücksichtigen ist
Im Rahmen des Pflichtteilsrechts hat der Erbberechtigte, der enterbt wurde, einen Pflichtteilsanspruch. Dies ist die Mindestteilhabe am Nachlass des Erblassers. Pflichtteilsberechtigte können beispielsweise Kinder des Erblassers oder Ehegatten sein.

Für den Pflichtteilsanspruch gilt, dass zunächst der Wert des Nachlasses zu berechnen ist. Dieser ergibt sich aus den Aktiva abzüglich der Passiva, so dass ein Reinnachlass berechnet wird. Auf diesen wird dann die Quote des Pflichtteilsberechtigten angewendet. Hinzugerechnet wird noch der sogenannte fiktive Nachlass, also diejenigen Vermögenspositionen, die dem Nachlass noch hinzuzurechnen sind und auf die sich der Pflichtteilsergänzungsanspruch des Pflichtteilsberechtigten bezieht.

Da der Nachlass immer auf den Todeszeitpunkt des Erblassers berechnet wird, stellt sich die Frage bei später anfallenden Steuern, inwieweit diese im Nachlass als Forderungen zu berücksichtigen sind, die dann den Pflichtteilsanspruch schmälern. Dies kann beispielsweise durch Veräußerung von Immobilien oder aber auch bei der Abwicklung von Unternehmen oder der Hebung stiller Reserven der Fall sein. Hierbei kommt es darauf an, ob dies im Eigeninteresse des Erben geschieht, ob beispielsweise die Immobilie vom Erben innerhalb eines bestimmten Zeitraums veräußert wird und somit die Steuerlast begründet wird, oder aber ob dies auf Anweisung des Erblassers geschieht. Trifft beispielsweise der Erblasser in seinem Testament die Verpflichtung zum Verkauf von Immobilien oder Unternehmen oder Anteilen von Unternehmen, so sind die daraus resultierenden Steuerlasten dem Nachlass zuzurechnen. Dies ergibt sich im Wesentlichen aus § 2313 Abs. 1 BGB, der ausführt, dass Verbindlichkeiten, die ungewiss oder noch unsicher sind, zu Anpassungen führen können.

Zu diesem Ergebnis kommt auch das Oberlandesgericht Koblenz in seiner aktuellen Entscheidung, vgl. OLG Koblenz, Az.: 12 U 1356/20, Hinweisbeschluss vom 18.01.2021.
OLG Koblenz, Az.: 12 U 1356/20, Hinweisbeschluss vom 18.01.2021, eingestellt am 01.02.2022