Ein Pflichtteilsanspruch kann auch gegenüber dem verstorbenen Pflichtteilsverpflichteten erhoben werden
In einer aktuellen Entscheidung vor dem Bundesfinanzhof ging es um einen Fall, in dem der Sohn zunächst nach dem Tod des Vaters seinen Pflichtteil nicht geltend gemacht hat. Nachdem die Stiefmutter verstorben war und der Sohn ihr Alleinerbe wurde, machte er mit privatem Schreiben sich selbst gegenüber seinen Pflichtteilsanspruch nach dem Tod des Vaters geltend, so dass eine Forderung gegen ihn als Alleinerben bestand. Ziel war es, den so erhobenen Pflichtteilsanspruch als Nachlassverbindlich nach dem Erbfall nach der Stiefmutter gegen sich selbst zu erheben, um die Erbschaftsteuer entsprechend zu reduzieren.
Abkömmlinge haben gegen ihre Eltern einen Pflichtteilsanspruch und können diesen nach dem Tod des verstorbenen Elternteils geltend machen. Steuerlich wirkt der Pflichtteilsanspruch gegen den Pflichtteilsverpflichteten, im Beispiel dann gegen die Stiefmutter als Alleinerbin nach dem Vater und als Nachlassverbindlichkeit, die auf den Todeszeitpunkt zu bemessen ist. Das ausdrückliche Verlangen des Pflichtteilsanspruchs ist steuerrechtlich als Nachlassverbindlichkeit zu bewerten.
Im vorliegenden Fall war es jedoch so, dass zwischen dem Tod des Vaters und dem Tod der Stiefmutter, wonach es zur Alleinerbenstellung des Sohnes gekommen ist, bereits zur Verjährung des zivilrechtlichen Pflichtteilsanspruch gekommen ist. Aus diesem Grund ließ der Bundesfinanzhof den Pflichtteilsanspruch steuerrechtlich nicht mehr als Nachlassverbindlichkeit gelten. Etwas anderes hätte gegolten, wenn der Pflichtteilsanspruch zum Zeitpunkt des Todes der Steifmutter noch nicht verjährt gewesen wäre.
Daraus ergibt sich, dass erbschaftsteuerrechtlich eine Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen gegen sich selbst als Alleinerben durchaus möglich ist, sofern es noch nicht zur Verjährung des Pflichtteilsanspruchs gekommen ist. In einem solchen Fall wäre dann tatsächlich der gegen sich selbst gerichtete Pflichtteilsanspruch als Nachlassverbindlichkeit steuerrechtlich zu berücksichtigen.
BFH, Az. II R 1/16, Urteil vom 05.02.2020, eingestellt am 22.09.2020