Testierunfähigkeit
Im Rahmen der erbrechtlichen Praxis stellt sich immer wieder die Frage, ob der Erblasser zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung testierfähig war. Testierfähig bedeutet, dass derjenige, der ein Testament errichtet, wissen muss, dass er eine letztwillige Verfügung von Todes wegen verfasst und welche Auswirkungen diese Verfügung auf die eigenen wirtschaftlichen Verhältnisse hat. Im Gegensatz dazu ist testierunfähig, wer aufgrund einer krankhaften Störung in seiner Geistestätigkeit, aufgrund von Geistesschwäche oder Bewusstseinsstörung gerade nicht in der Lage ist, die Bedeutung einer Verfügung von Todes wegen als Willenserklärung über die persönlichen Verhältnisse und dass sich diese auf den Tod berufen, bilden kann. Wem also diese Einsicht fehlt und wer nicht nach dieser Einsicht handeln kann, ist nach dem Gesetz testierunfähig.

Im Erbscheinverfahren, in dem aufgrund des Amtsermittlungsgrundsatzes die Testierfähigkeit festgestellt werden muss, wenn Anhaltspunkte gegeben sind, die darauf hindeuten, dass der Erblasser oder die Erblasserin gerade testierunfähig war und nicht von Todeswegen verfügen konnte, bedarf dann der Klärung wenn sich konkrete Anhaltspunkte im Verfahren ergeben. Dass zu diesen Anhaltspunkten konkret vorgetragen werden muss, hat das Oberlandesgericht Brandenburg in einem Beschluss ausgeführt, zur Aufklärung nach § 26 FamFG besteht immer dann Anlass, wenn entsprechende Anhaltspunkte gegeben sind, dass konkrete Verhaltensweisen und Auffälligkeiten des Testierenden Anlass dafür geben, dass er testierunfähig hätte sein können. In einem solchen Fall wäre ein fachpsychiatrisches Gutachten einzuholen. Hierbei wäre dann nicht nur festzustellen, dass die Geistestätigkeit des Erblassers krankhaft gestört wäre, eine Geistesschwäche oder Bewusstseinsstörung vorliegt und der Erblasser gerade aufgrund dieser Krankheit nicht in der Lage gewesen ist, seinen Willen zu bekunden.

Liegen dem Gericht gerade keine Anhaltspunkte vor, die auf eine Testierunfähigkeit hindeuten, so bedarf es auch im Rahmen der Amtsermittlung keiner Einholung eines Sachverständigengutachtens.
OLG Brandenburg, Az.: 3 W 101/21, Beschluss vom 10.01.2022, eingestellt am 07.08.2022