Zum selbständigen Beweisverfahren bei Pflichtteilsansprüchen
Der folgende Fall wurde vor dem Oberlandesgericht Hamm verhandelt: Die Parteien des Falls sind die Kinder der am 12.07.2019 verstorbenen Erblasserin, deren Ehemann bereits 2007 verstarb. Die Eltern hatten die Antragsgegnerin testamentarisch zur Nach- und Schlusserbin eingesetzt. Der Antragsteller fordert nun Pflichtteilsansprüche ein. Teil des Nachlasses war ein Mehrfamilienhaus mit Garagen in C. Die Antragsgegnerin verkaufte dieses am 29.06.2020 für 150.000 Euro an die Stadt C. Der Antragsteller beantragte daraufhin, in einem selbständigen Beweisverfahren ein Gutachten zur Ermittlung des Verkehrswertes des Hauses einzuholen. Das Amtsgericht wies den Antrag als unzulässig zurück, was der Antragsteller mit einer Beschwerde anfocht.

Das Gericht gab der Beschwerde teilweise statt und entschied, dass die beantragte Beweisanordnung gemäß § 485 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO zulässig sei. Das Landgericht hatte den Antrag zu Unrecht abgelehnt. Der Antragsteller hat ein berechtigtes Interesse an der Feststellung des Verkehrswertes der Immobilie, da dies der Vermeidung eines Rechtsstreits dienen könnte. Ein rechtliches Interesse liegt insbesondere vor, wenn die Feststellung der Klärung eines wesentlichen Streitpunkts dient.

Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin muss der Antragsteller keine Wertermittlungsklage gemäß § 2314 BGB erheben. Auch die Tatsache, dass das Haus möglicherweise abgerissen wird, ändert nichts an der Zulässigkeit des Antrags. Der Antrag ist auch dann zulässig, wenn der Nachlassgegenstand, wie hier, bereits verkauft wurde, da dem Pflichtteilsberechtigten der Nachweis, dass der Verkaufspreis nicht dem Verkehrswert entspricht, sonst erschwert würde. Der Antragsteller vermutet, dass die Immobilie unter Wert verkauft wurde, gestützt auf ein bestehendes Wertgutachten und den Bodenwert des Grundstücks.

Durch die gerichtliche Bewertung des Verkehrswertes kann einer der Hauptstreitpunkte im Zusammenhang mit den Pflichtteilsansprüchen des Antragstellers geklärt werden.
OLG Hamm; Beschluss vom 03.01.2023, Az.: I-10 W 71/22, eingestellt am 07.09.2024