Zur Frage der Anspruchserfüllungswirkung des notariellen Nachlassverzeichnisses
In dem Fall macht der Gläubiger im Rahmen einer Stufenklage Pflichtteilsansprüche gegen die Schuldnerin geltend, die alleinige Erbin des 2018 verstorbenen Erblassers ist. Das Landgericht (LG) hatte die Schuldnerin durch ein Anerkenntnisteilurteil verurteilt. Daraufhin beauftragte die Schuldnerin einen Notar, der am 24. Januar 2023 ein notarielles Nachlassverzeichnis erstellte. Der Gläubiger argumentiert jedoch, dass das Verzeichnis den geltend gemachten Anspruch nicht erfüllt habe, und beantragt die Verhängung eines weiteren Zwangsgeldes.

Der entscheidende Punkt liegt in der Frage, ob das Nachlassverzeichnis den Anspruch gemäß § 362 Abs. 1 BGB erfüllt. Es wird zwischen einem unvollständigen Verzeichnis, das keine Erfüllungswirkung hat, und einem fehlerhaften oder falschen Verzeichnis, das durchaus Erfüllungswirkung entfalten kann, unterschieden. Der Anspruch aus § 2314 BGB zielt darauf ab, dem Pflichtteilsberechtigten die notwendigen Informationen zur Bemessung seines Anspruchs zu verschaffen. Ein notarielles Nachlassverzeichnis soll eine größere Gewähr für Vollständigkeit und Richtigkeit bieten als ein privates Verzeichnis des Erben.

Dabei hat der Notar den Nachlass selbständig zu ermitteln, basierend auf den Angaben des Erben, darf sich jedoch nicht nur auf eine Plausibilitätsprüfung beschränken. Er muss aktiv Nachforschungen anstellen, die ein objektiver Dritter für notwendig erachten würde. In diesem Fall war das vorliegende Nachlassverzeichnis jedoch unvollständig. Der Gläubiger bemängelte zurecht, dass das Verzeichnis keine ausreichenden Informationen zu Zuwendungen innerhalb der letzten zehn Jahre vor dem Tod des Erblassers enthält, wie sie gemäß § 2325 Abs. 1 BGB anzugeben wären.

Die Nachlassermittlungen des Notars erstreckten sich nur auf den Zeitraum ab dem 1. Januar 2011. Eine weitergehende Prüfung, insbesondere zu Zuwendungen vor diesem Zeitpunkt, fand nicht statt. Der Notar hatte lediglich die Angaben der Schuldnerin übernommen, die erklärte, ihr seien keine weiteren Zuwendungen des Verstorbenen bekannt. Diese Erklärung reicht jedoch zur Erfüllung des Auskunftsanspruchs nicht aus. Auch wenn ältere Kontoauszüge von der Volksbank nicht mehr verfügbar waren, hätte der Notar alternative Wege finden müssen, um entsprechende Informationen zu erlangen, zum Beispiel durch eine erneute Aufforderung der Schuldnerin zur Herausgabe älterer Unterlagen.

Das Verzeichnis blieb auch hinsichtlich der Zuwendungen an den Ehegatten des Erblassers unvollständig, die gemäß § 2325 Abs. 3 S. 3 BGB ohne zeitliche Begrenzung zu ermitteln sind. Der Notar beschränkte seine Nachforschungen lediglich auf den 10-Jahres-Zeitraum, ohne zu prüfen, ob Zuwendungen an den Ehegatten auch außerhalb dieses Zeitraums stattgefunden haben könnten. Es fehlen entsprechende Ermittlungen, die über die bloße Wiedergabe der Auskunft der Schuldnerin hinausgehen.

Insgesamt ist das Nachlassverzeichnis daher unvollständig und bedarf der Ergänzung, insbesondere hinsichtlich der Zuwendungen vor 2011 und der Zuwendungen an den Ehegatten. Der titulierte Anspruch des Gläubigers ist somit nicht erfüllt, weshalb die Voraussetzungen für die Verhängung eines weiteren Zwangsgeldes vorliegen.
OLG Hamm, Beschluss vom 21.12.2023, Az. I-5 W 94/23, eingestellt am 15.09.2024