Zur Frage der Testierunfähigkeit bei Depression und Alkoholismus
Das Oberlandesgericht Brandenburg hat am 21. März 2024 eine bedeutsame Entscheidung zur Testierfähigkeit bei schweren psychischen Erkrankungen getroffen (Az.: 3 W 28/24). Der Fall betraf einen Erblasser, der an Depressionen, einer bipolaren Störung und Alkoholismus litt und sich letztendlich das Leben nahm. Trotz dieser schwerwiegenden Umstände bestätigte das Gericht die Testierfähigkeit des Erblassers und lieferte damit wichtige Erkenntnisse für ähnlich gelagerte Fälle.
In seiner Entscheidung stellte das Gericht klar, dass schwere psychische Erkrankungen wie Depressionen oder Alkoholsucht nicht automatisch zur Testierunfähigkeit führen. Vielmehr betonte es die Notwendigkeit einer individuellen Beurteilung in jedem Einzelfall. Entscheidend sei, ob der Erblasser die Auswirkungen seiner letztwilligen Verfügungen erkennen und einschätzen kann. Im vorliegenden Fall stützten sich die Richter auf die Einschätzungen des behandelnden Arztes sowie einer Sachverständigen, die beide die Testierfähigkeit des Erblassers bestätigten.
Das Gericht berücksichtigte zudem formale Aspekte des Testaments. Es hob hervor, dass das handschriftliche Testament flüssig, mit fester Handschrift und inhaltlich stringent verfasst war. Dies wurde als Indiz für die geistige Klarheit des Erblassers zum Zeitpunkt der Testamentserstellung gewertet. Besondere Beachtung fand auch die Tatsache, dass der Erblasser in seinem Abschiedsbrief explizit erwähnte, er müsse die Erbschaftsangelegenheit vor seinem Freitod noch regeln. Dies sprach nach Ansicht des Gerichts für eine bewusste und überlegte Entscheidung.
Die Entscheidung des OLG Brandenburg unterstreicht, dass die Testierfähigkeit auch bei schweren psychischen Erkrankungen differenziert betrachtet werden muss. Sie bietet wichtige Orientierung für ähnliche Fälle und betont die Notwendigkeit einer individuellen Beurteilung der Einsichts- und Willensbildungsfähigkeit des Testierenden. Diese Entscheidung stärkt die Testierfreiheit und verdeutlicht, dass psychische Erkrankungen nicht pauschal als Grund für Testierunfähigkeit herangezogen werden können. Sie leistet damit einen wichtigen Beitrag zur rechtlichen Beurteilung von Testamenten in komplexen medizinischen und psychologischen Kontexten. Das Urteil unterstreicht die Bedeutung einer vollumfänglichen Betrachtung der Umstände und der individuellen Situation des Erblassers bei der Beurteilung der Testierfähigkeit. Es zeigt, dass selbst bei schweren psychischen Erkrankungen die Fähigkeit zur Erstellung eines gültigen Testaments bestehen kann, sofern der Erblasser in der Lage ist, die Tragweite seiner Entscheidungen zu erfassen und seinen Willen entsprechend zu äußern.
OLG Brandenburg Beschluss vom 21.03.2024, Az.: 3 W 28/24, eingestellt am 15.02.2024