Die Belegenheit des Nachlassvermögens zum Zeitpunkt des Todes ist maßgeblich für die subsidiäre Zuständigkeit des Gerichts nach der Europäischen Erbrechtsverordnung
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in seinem Urteil vom 7. November 2024 (C-291/23, Hantoch) zur Auslegung von Art. 10 Abs. 1 der Europäischen Erbrechtsverordnung (EuErbVO) entschieden, dass für die Feststellung der subsidiären internationalen Zuständigkeit der Gerichte eines Mitgliedstaats maßgeblich ist, ob sich Nachlassvermögen zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers in diesem Mitgliedstaat befand, und nicht zum Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts.

Dem Urteil lag ein Rechtsstreit zwischen den Abkömmlingen eines in Ägypten verstorbenen Erblassers zugrunde, der sowohl die deutsche als auch die ägyptische Staatsangehörigkeit besaß und in Deutschland Vermögen hielt. Die Klägerin machte Pflichtteilsansprüche vor einem deutschen Gericht geltend und berief sich darauf, dass zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers Nachlassvermögen in Deutschland vorhanden war. Das angerufene Gericht hatte Zweifel, ob für die Beurteilung der internationalen Zuständigkeit auf den Todeszeitpunkt oder den Zeitpunkt der Klageerhebung abzustellen sei, und legte diese Frage dem EuGH vor.

Der EuGH stellte klar, dass bei der Auslegung von Art. 10 Abs. 1 EuErbVO nicht nur der Wortlaut, sondern auch der Zusammenhang und die Ziele der Verordnung zu berücksichtigen seien. Der Wortlaut des Artikels knüpft die Zuständigkeit an den Zeitpunkt des Todes des Erblassers, insbesondere hinsichtlich seines gewöhnlichen Aufenthalts und seiner Staatsangehörigkeit. Auch der systematische Zusammenhang der Verordnung, insbesondere die Erwägungsgründe und die Regelungen zur allgemeinen und subsidiären Zuständigkeit, sprechen dafür, dass der Todeszeitpunkt maßgeblich ist. Die Verordnung zielt darauf ab, Rechtssicherheit zu gewährleisten und die vorausschauende Nachlassplanung zu ermöglichen. Dies würde gefährdet, wenn nachträgliche Veränderungen des Nachlassvermögens nach dem Tod des Erblassers die Zuständigkeit beeinflussen könnten.

Der Gerichtshof betonte, dass die Kriterien für die gerichtliche Zuständigkeit darauf abzielen, die Verbindung des Erblassers zu einem Mitgliedstaat zum Zeitpunkt seines Todes festzustellen. Würde man auf spätere Zeitpunkte abstellen, könnten nachträgliche Liquidationen oder Vermögensverschiebungen die Zuständigkeit beeinflussen, was dem Ziel der Rechtssicherheit widerspräche. Daher ist für die Frage, ob Nachlassvermögen im Mitgliedstaat des angerufenen Gerichts vorhanden ist, ausschließlich auf den Zeitpunkt des Todes des Erblassers abzustellen.

Zusammenfassend entschied der EuGH, dass für die subsidiäre Zuständigkeit nach Art. 10 Abs. 1 EuErbVO allein das Vorhandensein von Nachlassvermögen im Mitgliedstaat zum Todeszeitpunkt maßgeblich ist, nicht aber spätere Veränderungen bis zur Klageerhebung.
EuGH, Az.: C-291/23, Hantoch, Urteil vom 07.112024, eingestellt am 01.06.2025