Zur Auslegung eines in einer Patch-Work-Konstellation errichteten Ehegattentestaments
Der Beschluss des OLG Naumburg befasst sich mit der Auslegung eines gemeinschaftlichen privatschriftlichen Testaments, das von Eheleuten in einer Patchwork-Familie errichtet wurde und nach deren Tod Streit über die rechtliche Folge der letztwilligen Verfügung auslöste. Zentraler Ausgangspunkt ist, dass die individuelle Auslegung des Testaments nach §§ 133, 2084 BGB Vorrang vor der gesetzlichen Auslegungsregel des § 2269 BGB hat. Das Gericht stellt klar, dass zunächst anhand des Testaments und aller relevanten Umstände der tatsächliche Wille der Testatoren zu erforschen ist. Nur wenn dieser sich nicht sicher ermitteln lässt, kommt § 2269 BGB als Auslegungsregel zum Zuge.
Im vorliegenden Fall haben die Eheleute ein gemeinschaftliches Testament errichtet, in welchem sie sich gegenseitig als Erben einsetzen und regeln, dass jeweils die Tochter des Verstorbenen das Pflichtteil der finanziellen Ersparnisse erhalten soll. Darüber hinaus sollte die vorhandene Eigentumswohnung dem überlebenden Ehegatten verbleiben, erst nach dessen Tod sollten beide Töchter darüber verfügen können. Das Testament wurde amtlich verwahrt und nach dem Tod des letzten Ehegatten eröffnet. Trotz getrennt geführter Konten und komplexen Familienverhältnissen deuten die Formulierungen und die konkrete Testamentsgestaltung darauf hin, dass die Eheleute eine sogenannte Einheitslösung gewählt haben. Dies bedeutet, dass der überlebende Ehegatte als Vollerbe eingesetzt ist und das Vermögen einheitlich betrachtet wird.
Das Gericht setzt sich ausführlich mit der Frage auseinander, ob die getrennte Kontoführung und die Patchwork-Konstellation Hinweise auf eine Trennungslösung – also eine gesonderte Vererbung der Eigenvermögen – bieten. Es wird ausgeführt, dass allein die Vermögensverwaltung zu Lebzeiten, wie etwa getrennte Konten, keine Rückschlüsse auf die erbrechtliche Behandlung nach dem Tod zulässt. Die Notwendigkeit einer klaren Testamentssprache für die Annahme der Trennungslösung wird betont, welche hier fehlt. Die Testatoren behandelten ihr Vermögen vielmehr als Einheit, differenzierten im Testament nur nach Vermögenskategorien, nicht nach Eigentumsverhältnissen.
Für den zweiten Erbfall, das heißt nach dem Tod des Letztversterbenden, ist im Testament lediglich bezüglich der Eigentumswohnung explizit geregelt, dass beide Töchter diese gemeinsam erhalten sollen. Weitere Bestimmungen zu Schlusserben fehlen, sodass insoweit die gesetzliche Erbfolge greift. Die Eigentumswohnung wurde allerdings noch zu Lebzeiten beiden Töchtern übertragen, weshalb sie kein Nachlassgegenstand des Letztversterbenden war.
Abschließend hält das OLG Naumburg fest, dass sich der Inhalt des gemeinschaftlichen Testaments im Ergebnis klar für die Einheitslösung und gegen die Trennungslösung ausspricht. Eine abweichende Handhabung, wie sie von einem Beteiligten – angesichts der Patchwork-Situation – gefordert wurde, findet keine hinreichende Stütze im Testamentstext. Die Beschwerde bleibt daher erfolglos; die letztwilligen Verfügung sind nach dem Einheitsprinzip auszulegen, wobei nach dem Tod des Längerlebenden in Ermangelung weiterer testamentarischer Regelungen die gesetzliche Erbfolge eintritt.
OLG Naumburg, Az.: 2 Wx82/23, Beschluss vom 08.01.2025, eingestellt am 21.09.2025
Praxishinweis:
Der Beschluss macht deutlich, wie wichtig eine fachanwaltliche Beratung im Erbrecht im Hinblick auf eine Testamentserrichtung sein kann, damit getroffene Regelungen der Ehegatten am Ende nicht der gerichtlichen Auslegung bedürfen.
Fachanwalt für Erbecht Dr. jur. Christian Kasten
