Sittenwidrige testamentarische Wiederverheiratungsklauseln
Die Beurteilung von Wiederverheiratungsklauseln in Ehegattentestamenten ist ein komplexes Thema im deutschen Erbrecht, das in den letzten Jahren durch mehrere wichtige Gerichtsentscheidungen geprägt wurde. Grundsätzlich können solche Klauseln als sittenwidrig und damit nichtig gemäß § 138 BGB eingestuft werden, wenn sie einen unzulässigen Druck auf die durch Art. 6 Abs. 1 GG geschützte Eheschließungsfreiheit des überlebenden Ehegatten ausüben.
Eine wegweisende Entscheidung in diesem Kontext ist die sogenannte "Hohenzollern-Entscheidung" des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2004. Das Gericht betonte darin, dass Wiederverheiratungsklauseln zwar grundsätzlich zulässig sind, aber nicht zu einer unangemessenen Beschränkung der Eheschließungsfreiheit führen dürfen.
Das Oberlandesgericht Saarbrücken hat in seinem Urteil vom 15.10.2014 (Az. 5 U 19/13) eine wichtige Konkretisierung vorgenommen. Es erklärte eine Klausel für sittenwidrig, die den überlebenden Ehegatten im Fall der Wiederheirat zur Herausgabe des gesamten vom Erstverstorbenen erworbenen Vermögens verpflichtete. Das Gericht argumentierte, dass eine solche Regelung einen unzulässigen Druck auf die Entscheidungsfreiheit des überlebenden Ehegatten ausübe.
Ähnlich urteilte das OLG Zweibrücken, Az.: 3 W 150/10, in seinem Beschluss vom 14.03.2011. Es stellte fest, dass Klauseln, die den vollständigen Verlust der Erbschaft bei Wiederheirat vorsehen, ohne dem überlebenden Ehegatten zumindest Vermögen in Höhe seines Pflichtteilsanspruchs zu belassen, als sittenwidrig anzusehen sind.
Andererseits wurde eine Klausel für unbedenklich erklärt, die im Fall der Wiederheirat die gesetzliche Erbfolge anordnete. Dies zeigt, dass nicht jede Einschränkung automatisch als sittenwidrig gilt.
Als rechtmäßig werden in der Regel Klauseln angesehen, die die Vollerbschaft des überlebenden Ehegatten im Fall der Wiederheirat in eine Vorerbschaft umwandeln. Auch Regelungen, die nur einen Teil des Nachlasses betreffen oder dem überlebenden Ehegatten zumindest seinen Pflichtteil oder gesetzlichen Erbteil belassen, werden tendenziell als zulässig betrachtet.
Es ist wichtig zu betonen, dass die Beurteilung der Sittenwidrigkeit stets eine Einzelfallentscheidung ist. Die Gerichte müssen dabei sorgfältig zwischen der Testierfreiheit des zuerst Versterbenden und dem grundgesetzlich geschützten Recht des länger Lebenden, eine Ehe einzugehen, abwägen. Entscheidend ist oft, ob die Klausel dem überlebenden Ehegatten noch einen angemessenen finanziellen Spielraum lässt oder ob sie ihn unverhältnismäßig stark einschränkt.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Rechtsprechung in den letzten Jahren klare Grenzen für die Gestaltung von Wiederverheiratungsklauseln gezogen hat. Während moderate Einschränkungen zulässig sind, werden Klauseln, die zu einer faktischen Aufgabe der Eheschließungsfreiheit führen würden, als sittenwidrig und damit nichtig angesehen.
Dr. jur. Christian Kasten, eingestellt am 08.02.2025