Antragsrecht des Pflichtteilsberechtigten auf Entlassung eines Testamentsvollstreckers
Der Pflichtteilsberechtigte ist nach § 2227 BGB antragsberechtigt, weil seine rechtlich geschützten Interessen durch die Tätigkeit des Testamentsvollstreckers unmittelbar betroffen sein können. Obwohl der Pflichtteilsanspruch gem. § 2303 BGB primär einen schuldrechtlichen Geldanspruch gegen den Erben darstellt, begründet die besondere Stellung des Pflichtteilsberechtigten ein Antragsrecht im Entlassungsverfahren. Dies folgt aus der Rechtsprechung des OLG Bremen (5 W 38/15) und des BGH (NJW 2017, 2112), die den Pflichtteilsberechtigten als „Beteiligten“ im Sinne des § 2227 BGB anerkennen.

Maßgeblich ist dabei die Interessenabwägung zwischen dem Fortführungsinteresse des Erblasserwillens und dem Schutzbedürfnis des Pflichtteilsberechtigten. Die Testamentsvollstreckung beeinflusst direkt die Höhe des Nachlasswertes, der für die Berechnung des Pflichtteils entscheidend ist. Durch Verwaltungsfehler oder Pflichtverletzungen des Testamentsvollstreckers (z.B. unzureichende Nachlassverwaltung gem. § 2215 BGB) kann sich der realisierbare Nachlasswert mindern, was den Pflichtteilsanspruch substantiell gefährdet. Rechtsdogmatisch stützt sich diese Position auf § 2214 BGB, der Pflichtteilsansprüche als Nachlassverbindlichkeit qualifiziert, sowie auf § 2213 Abs. 1 BGB, der die Durchsetzbarkeit solcher Ansprüche über den Nachlass regelt. Zwar stehen dem Pflichtteilsberechtigten weder direkte Auskunftsansprüche gegen den Testamentsvollstrecker (§ 2218 BGB) noch Haftungsansprüche (§ 2219 BGB) zu, doch begründet die systemimmanente Schutzfunktion des Pflichtteilsrechts ein prozessuales Mitwirkungsrecht.

Die Gegenansicht, die den Pflichtteilsberechtigten als reinen Nachlassgläubiger einstuft (vgl. BGHZ 35, 296), wird durch die überwiegende Rechtsprechung überwunden. Entscheidend ist die Wertung des § 2305 BGB, der den Pflichtteil als Mindestbeteiligung am Nachlass schützt. Dieses Schutzinteresse erfordert ein Antragsrecht, da der Testamentsvollstrecker durch seine Verwaltungshoheit (§ 2211 BGB) unmittelbar auf die Realisierbarkeit des Pflichtteilsanspruchs einwirkt.

Weitere Stützung findet diese Position in § 2314 BGB, der dem Pflichtteilsberechtigten ein Auskunftsrecht über den Nachlass einräumt. Dieses Recht würde entwertet, wenn keine Kontrollmöglichkeit über die Person des Testamentsvollstreckers bestünde. Die h.M. folgt damit dem teleologischen Argument, dass die Testamentsvollstreckung nicht zur Umgehung pflichtteilsrechtlicher Ansprüche missbraucht werden darf.
Dr. Christin Kasten, eingestellt am 22.04.2025