Keine Umdeutung eines nichtigen Pflichtteilsverzichtsvertrags und notarielle Haftung
Der Bundesgerichtshof, BGH, hat entschieden, dass ein unwirksamer Pflichtteilsverzichts-vertrag nicht in eine andere Vereinbarung, etwa einen Erbschaftsvertrag, umgedeutet werden kann. Im zugrunde liegenden Fall hatte die Klägerin den beklagten Notar wegen einer Amtspflichtverletzung auf Schadensersatz verklagt. Der Vater der Klägerin, Eigentümer eines landwirtschaftlichen Hofes, hatte sie testamentarisch als Alleinerbin eingesetzt. Im Jahr 2006 beurkundete der Notar einen Pflichtteilsverzichtsvertrag, in dem die Schwester der Klägerin auf ihre Pflichtteilsrechte verzichtete. Der Erblasser war bei der Beurkundung jedoch nicht persönlich anwesend, sondern wurde durch eine vollmachtlose Vertreterin vertreten. Später genehmigte er die Erklärung.

Nach dem Tod des Erblassers im Jahr 2020 forderte die Schwester der Klägerin ein Nachlassverzeichnis und machte Pflichtteilsansprüche geltend, da der Verzichtsvertrag unwirksam war. Die Klägerin zahlte ihrer Schwester 100.000 Euro und klagte gegen den Notar, um Schadensersatz für die Pflichtverletzung zu erhalten. Während das Landgericht Münster die Klage abwies, gab das Oberlandesgericht Hamm der Klage statt. Der BGH bestätigte diese Entscheidung.

Der BGH stellte fest, dass der Notar fahrlässig gehandelt hatte, indem er den Pflichtteilsverzicht ohne persönliche Anwesenheit des Erblassersbeurkundete und damit gegen § 2347 BGB verstieß. Die Nichtigkeit des Vertrags führte dazu, dass die Klägerin den Ansprüchen ihrer Schwester ausgesetzt war, was einen Vermögensschaden darstellte. Eine Umdeutung des unwirksamen Pflichtteilsverzichts in einen Erbschaftsvertrag zwischen den Schwestern lehnte der BGH ab, da ein solcher Vertrag in der notariellen Urkunde eindeutig hätte formuliert sein müssen.

Der BGH betonte zudem, dass ein Pflichtteilsverzicht nur mit dem Erblasser zu dessen Lebzeiten abgeschlossen werden kann und nicht mit Dritten vereinbart werden kann, da er ausschließlich das Pflichtteilsrecht betrifft. Auch eine ergänzende Auslegung oder Umdeutung des Vertrags wurde ausgeschlossen, da dies den ursprünglichen Vertragsgegenstand unzulässig erweitert hätte.

Schließlich stellte der BGH klar, dass die Verjährungsfrist für den Schadensersatzanspruch erst mit dem Erbfall begann, da erst zu diesem Zeitpunkt ein Vermögensschaden für die Klägerin entstand. Vor dem Tod des Erblassers bestand keine gesicherte Rechtsposition der Klägerin, da dieser jederzeit anders testieren konnte. Der Notar haftet somit für den entstandenen Schaden aufgrund seiner Amtspflichtverletzung.

Praxishinweis:
Der Beschluss macht deutlich, dass die Anwesenheit des Erblassers bei der Beurkundung eines Pflichtteilsverzichtsvertrags zwingend nach §2347 erforderlich ist. Lediglich bei Geschäftsunfähigkeit des Erblassers kann der gesetzliche Vertreter den Vertrag schließen.
BGH, Az.: IV ZR 263/23, Beschluss vom20.11.2024, eingestellt am 01.04.2025